Schöner neuer Wald?

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Nach jahrelangen Waldschutz-Kampagnen gab es im Jahr 2028 endlich Erfolge zu feiern. Seit der Ablösung der Großen Koalition und in Folge weiterer Schreckensmeldungen über den dramatischen Rückgang von Insekten- und Vogelarten wurden zwischen 2022 und 2024, 11 neue Waldnationalparks und zahlreiche kleinere Schutzgebiete geschaffen. Auch die VertreterInnen der Forstwirtschaftsverbände hatten eingesehen, dass die SteuerzahlerInnen nicht mehr bereit waren, neue finanzielle Hilfen für WaldbesitzerInnen zu bewilligen, ohne dass eine Gegenleistung nachgewiesen wird. So einigte man sich 2024 auf einheitliche Kriterien einer guten fachlichen Praxis: Der Waldaktionsplan 2030. WaldbesitzerInnen, welche die Gemeinwohlleistungen der Wälder mit einer ökologischen Waldnutzung verbinden indem sie Laubmischwälder bewirtschaften, Trinkwasserqualität fördern, Biotopbäume schützen und dadurch die Biologische Vielfalt fördern, erhalten dafür Geld aus dem neuen Waldökologie-Fond der Bundesregierung. Dieser revolutionäre Schritt lässt sich auf die beharrliche Überzeugungsarbeit der Umweltverbände zurückführen.

Sparsamer Umgang mit Holz

Die wiederholten Warnungen vor einer Holzknappheit und der drohenden Übernutzung der Wälder, wurden angesichts der sichtbaren Schäden im Wald und der angespannten Marktlage ernst genommen. Da nicht zuletzt wegen der schonenderen Holznutzung weniger nachwachsende Rohstoffe auf den Markt kamen, begannen die Holzeinkäufer nach alternativen Versorgungswegen zu suchen. Das aus Sicht des Klimaschutzes besonders hochwertige Bauholz erzielte zunehmend höhere Preise. Vor allem das leichte und tragfähige Nadelholz gelangte fast nur noch in den Bausektor. Die Herstellung von Wegwerfprodukten aus Holz (v.a. Einwegpaletten) wurde wegen der gestiegenen Holzpreise fast komplett auf Mehrwegsysteme umgestellt. Statt 90 Millionen Paletten wurden pro Jahr nur noch 15 Millionen Paletten erzeugt. Auch Brennholzkäufer mussten Einbußen hinnehmen, da verstärkt Laubhölzer wie die Buche für den Holz- und Möbelbau Verwendung fanden. Die zusätzliche Nachfrage einiger Bioraffinerien nach hellem Laubholz führte zu weiteren Preisanstiegen, sodass der Energieholzeinsatz auf ein Drittel zusammenschmolz. Viel Holz wurde bevorzugt für die Herstellung von Dämmstoffen verwendet.

Auch im Papiersektor gab es neue Entwicklungen. Durch das fast vollständige Verbot von Frischfasern bei Hygienepapieren (maximal 5% frischer Zellstoffanteil), das komplette Verbot kostenfreier Werbung, vor allem aber durch die Pflicht von Mehrweg- bzw. Pfand-Kartonverpackungen im gesamten Handel (Lebensmittel, Konsumgüter) konnte über die Hälfte der Rohstoffe eingespart werden. Diese werden inzwischen fast komplett von den Bioraffinerien verwendet.

 

Holzverbrauch steigt weiter

Im Zuge der Dekarbonisierung der Wirtschaft und dem damit einhergehenden Ersatz fossiler Rohstoffe durch Biomasse wuchs trotz aller Sparmaßnahmen und Effizienzsteigerungen der Holzbedarf deutlich. Biokunststoffe alleine verbrauchen pro Jahr ein knappes Viertel der gesamten Holzernte Deutschlands. Um die Versorgung der Holzwirtschaft sicherzustellen, hatte man mit Unterstützung durch groß angelegte Entwicklungsvorhaben in Ländern wie Liberia, Ghana und Kamerun, aber auch in Südafrika und Brasilien neue und leistungsstarke Holzplantagen angelegt. Dank des Einsatzes gentechnisch veränderter Baumarten konnte der Flächenbedarf der Branche für den Import auf 4 Millionen Hektar begrenzt werden. Weitere 6,5 Millionen Hektar Plantagen versorgten die Chemische Industrie, Heizkraftwerke und Papierfabriken mit den benötigten Rohstoffen. Damit waren 2030 ebenso viele Holzproduktionsflächen für die Versorgung des Bedarfes in Betrieb, wie innerhalb Deutschlands.

Mit einer gemeinsamen Pressekonferenz feierten Umwelt-, Waldbesitzer- und Holzwirtschaftsverbände Mitte 2032 das zehnjährige Bestehen ihrer gemeinsamen Plattform „Wald 2050“. Es war gelungen, die Interessen einer naturnahen Waldnutzung und nachhaltigen Holzverwendung gegenüber Politik und Gesellschaft zu vertreten und die gemeinsamen Interessen von über 4,5 Millionen Mitgliedern zu bündeln.

2033 begann eine bisher für unmöglich gehaltene Serie von heißen Sommerperioden. Nachdem die letzten Fichten im Flachland schon um 2030 fast verschwunden waren, setzten Dürre, Hitze und Wassermangel auch den Fichtenbeständen der höheren Mittelgebirgslagen zu. Auch die Wälder der Nationalparks wurden von flächigem Absterben von Fichten, aber auch Buchen und Tannen betroffen. Schon in den Jahren zuvor hatten vereinzelt ökologisch wirtschaftende Waldeigentümer in tieferen Lagen über Ausfälle geklagt. Sogar in Altbeständen naturnaher Laubmischwälder waren Schäden zu verzeichnen.

Klimawandelfolgen

Denn trotz aller Maßnahmen zum Kohleausstieg und Förderung erneuerbarer Energien waren die Treibhausgasemissionen Deutschlands von 905 Millionen Tonnen (2018) bis 2030 nur auf 835 Millionen Tonnen zurückgegangen, und weltweit sanken die Gesamtemissionen erst seit dem Jahre 2028 merklich, wenn auch langsam. Der Bedarf an Metallen und biogenen Rohstoffen war infolge der Schließung wichtiger Ölquellen und Kohleminen deutlich angestiegen, was den Energiebedarf in diesen Sektoren massiv ansteigen ließ.

Wegen der durch Dürre und Erosion verlorenen Agrarflächen kam es in vielen tropischen Ländern verstärkt zur Besetzung von Agrar- und Holzplantagen. Waren bis dahin nur wenige der Plantagen durch Dürreperioden und Sturmereignisse vernichtet oder unrentabel geworden, stiegen die Flächenverluste nun deutlich an. Die in den 20er Jahren begonnenen Projekte zur Bepflanzung degradierter Landflächen waren aber noch zu jung, um nennenswerte Mengen an Ersatzrohstoffen zu liefern. Die seit 2038 spürbare dramatische Verknappung von Holz führte zu so hohen Preissteigerungen, dass illegale Holzeinschläge und Holzdiebstähle stark zunahmen und auch vor Schutzgebieten in Mitteleuropa nicht Halt machte. Über Nacht verschwanden ganze Pappelplantagen. Da der Verbleib des Holzes aufgrund der fast überall verwendeten genetisch identischen Klone nicht eindeutig festgestellt werden konnte, mussten die Plantagen von privaten Sicherheitsdiensten bewacht werden. Der Aufschwung dieser Branche war aber nur von kurzer Dauer, da aufgrund der zunehmenden Trockenheit die meisten der einst ertragreichen Holzplantagen kaum noch Holz liefern konnten.

Im Jahr 2044 mussten die letzten Fichtenbestände der Bayerischen Alpen geerntet werden, um den wertvollen Rohstoff vor Massenvermehrungen verschiedener Borkenkäfer zu retten. 2048 wurden im fast 8 Kilometer langen Rennsteig-Straßentunnel im Thüringer Wald die beiden einzigen noch befahrbaren Skipisten Deutschlands stillgelegt.

 

Lászlo Máraz

Der Autor ist Koordinator der Dialogplattform Wald im Forum Umwelt und Entwicklung

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