Weltuntergang verhindern? Dann lasst doch mal die Frauen ran!

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Der neue Bericht des Weltklimarats (IPCC) zeichnet ein ziemlich bitteres Bild. Im Vergleich zu den Temperaturen vor Beginn der Industrialisierung ist die Erde bereits jetzt um ein Grad wärmer. Kann das derzeitige Tempo der Erderwärmung nicht gestoppt werden, sind 1,5 Grad möglicherweise schon 2030 erreicht (gleichzeitig mit den SDGs!), spätestens aber 2052. Um dies zu verhindern, müssten die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 % unter das Niveau von 2010 fallen. Bis 2050 müssten sie bei null liegen. Die Folgen des Nichterreichens nennt der Bericht ebenfalls: Schmelzen der Polkappen, Anstieg des Meeresspiegels, Artenverlust, Dürren, Klimakatastrophen.

Dabei ist der Klimawandel längst mehr als nur eine Prognose von WissenschaftlerInnen. Sondern er zeigt sich bereits in vielen Teilen der Welt und beeinflusst das Leben von Millionen von Menschen. Noch mehr extreme Naturkatastrophen? Verschwinden ganzer Inseln und Küsten? Verlust von Korallenriffen? Noch mehr Hunger und Krisen in der Welt? Vielen Menschen macht das große Sorgen. Mir auch.

Es muss sich also etwas ändern, damit wir 2048 nicht an dem Punkt angekommen sind, an dem es einfach immer nur noch so weitergeht, und wir kaum noch Spielraum haben, um die größten Veränderungen unseres Klimas und damit zwangläufig verbundene Katastrophen für Mensch und Natur abzuwenden.

So langsam muss uns als Weltgemeinschaft also klar werden, dass wir irgendwo in unserem System einen massiven Fehler haben, der dazu führt, dass wir trotz Wissen und Lösungen, viel zu wenig verändern oder in den meisten Fällen einfach so weitermachen.

Es gibt viele Gründe. Natürlich!

Was aber verbindet weltweite ökonomische und politische Entscheidungsstrukturen? Was ist der kleinste gemeinsame Nenner?

Sorry boys to be so blunt: Die überwältigende Mehrheit den Menschen in Führungspositionen sind Männer.

Derzeit gibt es nur 20 Frauen in der Position einer Staatschefin (z.B. Präsidentin) oder Regierungschefin (zB. Kanzlerin), was nur 6,3% der Gesamtanzahl der weltweiten Staatsführung ausmacht. Anzahl der Länder weltweit mit Parlamenten mit mindestens 50% Frauenanteil – 3. Ja, 3! In Deutschland haben wir in dieser Legislaturperiode gerade mal 30,7 % Frauen.

Bei den weltweiten 10 Unternehmen mit dem höchsten Börsenwert sind die CEOs alles Männer. Alle Top 10 Konzernen mit dem weltweit größtem CO₂ Ausstoß (von Unternehmen) – wenig verwunderlich Öl-, Gas- oder Kohlekonzerne – werden von Männern geleitet. Die 10 kapitalstärksten Banken weltweit – Vorstandsvorsitzende sind alles Männer.

Wer fällt Entscheidungen in unserem Land?

Beim Bundeskabinett sieht es auf den ersten Blick ganz gut aus – Immerhin 9 Männer und 7 Frauen. Wenn man dann allerdings eine Stufe drunter schaut, auf die StaatssekretärInnen, zeigt sich, dass nur 4 von 29 beamteten Staatssekretären Frauen sind.

Tatsächlich waren seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 mehr Männer mit dem Namen Klaus (24) beamtete Staatssekretäre als Frauen (19).

Ministerpräsidenten der Länder sind übrigens 14 Männer – 2 Frauen. Es gibt nur 8,2 % Oberbürgermeisterinnen in deutschen Städten (Mir fällt auf: Ich habe trotz häufigem Umziehen noch nie in einer deutschen Stadt mit Bürgermeisterin gelebt – Ihr?).

Auch in der deutschen Wirtschaft ballt sich die männliche Macht. Zwar liegt der Frauenanteil in den DAX30-Aufsichtsräten 2018 bei 34 %. Trotzdem sind insgesamt Männer weitestgehend in den einflussreicheren Positionen. In allen vier DAX-Indizes sind es 7 Frauen, die Aufsichtsräte der 160 größten deutschen Unternehmen führen. Vorstandsposten haben in den DAX30-Unternehmen nur 13,5 % Frauen. (RWE AG Vorstand sind übrigens ausschließlich Männer –  #hambibleibt!)

Und, wenn wir mal ehrlich sind, dass in der Führungsebene der meisten Umweltverbände in Deutschland deutlich mehr Männer sitzen – in Präsidium, Geschäftsführung und Vorstand – ist auch problematisch. 

Ich könnte ewig weiter auflisten.

Frauen sind nicht per se besser – Aber bestimmte Männer kommen nun mal leichter nach oben

Natürlich sind nicht alle Frauen per se bessere Menschen und würden einfach aufgrund ihres Geschlechts bessere Politik machen oder Unternehmen gemeinwohlorientiert führen. Und natürlich gibt es auch Männer, die sich engagieren und tolle Dinge tun oder leben. Die NGO-Szene deutschland- und weltweit ist durchzogen von tollen Männern, die sich ihrer privilegierten Rollen klar sind, die keine Lust mehr auf tradierte Rollenbilder haben, die starke Stimmen für Gerechtigkeit sind, die andere Menschen auf beeindruckende Weise unterstützen. 

Aber es zieht sich etwas durch unsere politischen und ökonomischen Systeme, das einen bestimmten Typ Mann begünstigt, in Entscheidungspositionen zu kommen. Und oft sind diese Entscheidungen dann vom Streben nach Macht, Reichtum, Einfluss – und dessen Erhalt geleitet. Ja, natürlich sind nicht alle Vorstandschefs Egomanen, nicht alle Politiker Sexisten. Aber sie stützen dennoch ein System, in dem nur sie Platz haben. In dem Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen und Minderheiten praktiziert, geduldet und verschwiegen wird – siehe #metoo, siehe Ernennung von Kavanaugh zum Supreme Court Richter, siehe Missbrauchsvorwürfe bei internationalen NGOs. In dem die Anhäufung von Geld, die Dominanz über den politischen Gegner oder die Eroberung neuer Märkte und Einflusssphären mehr zählt, als Vielfalt in Entscheidungsprozessen und Rücksicht auf sowie Schutz von Mensch und Natur.

Das alles prägt uns – als Individuum und als Gesellschaft.

Und macht Frauen weltweit Angst. Nervt sie. Erfüllt sie mit Wut. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Mir geht es auch so. Und ich bin eine weiße Frau aus der deutschen Mittelschicht. Frauen mit Migrationshintergrund, Women of Color, lesbische Frauen, Transmenschen, Frauen mit Behinderung – wo sind diese Frauen in unserer Gesellschaft, in unserer Politik, in unsere Ökonomie, in unserer Kultur – weltweit?

Wie kann das hier bitteschön unsere politische Realität im Jahr 2018 sein: In Deutschland haben fast 19 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund. Im Kabinett, inklusiver der StaatssekretärInnen, gibt es nur ein einziges Mitglied mit Migrationshintergrund: Bundesjustizministerin Katarina Barley, die einen britischen Vater hat.

Bis 2048 – lasst doch mal die anderen ran!

Ich glaube fest daran, dass wir zur Verhinderung von Klimakatastrophen, Finanzkrisen, Rechtsruck und was auch immer unsere apokalyptischen Sorgen so umfasst, gemeinsam arbeiten müssen. Uns gemeinsam engagieren. Gerade erst hat die unglaublich schöne #unteilbar Demo genau das bewiesen. Zusammen können wir die Gesellschaft – und die Welt verändern.

Aber um wirklich grundlegend die derzeitigen Entwicklungen in zahlreichen Bereichen von Politik, Ökonomie und Gesellschaft in eine andere Richtung zu lenken, brauchen wir eine Veränderung der Machtstrukturen.

Mein Vorschlag: Liebe Männer, lasst uns doch bis zum Jahr 2048 einfach mal ran! Ja, ab heute bis 2048 – einfach mal ausprobieren. Dann können wir ja schauen, ob Frauen schlauere Entscheidungen getroffen haben. It’s worth a try – schlimmer kann‘s eigentlich nicht werden, wenn wir mal ehrlich sind.

Und Männer, Ihr müsst ja gar nicht weggehen – einfach nur mal die anderen vorlassen. Oder dazulassen. Oder Raum geben und zuhören. Oder auch mal selber dran denken, dass Frauen und Menschen, die nicht so aussehen wie Ihr selber, eine tragende Rolle haben sollten. Und auch mal Sachen machen, auf die Ihr nicht so Lust habt – und die sonst Frauen erledigen. Ihr wisst schon, was ich meine!

Und liebe Frauen, lasst uns nicht die gleichen Fehler wie viele in den Generationen vor uns machen – lasst uns bunt und inklusiv und vernetzt und abgebend und gegenseitig stärkend und wertschätzend und die Natur achtend sein.

Wir sind nur frei, wenn alle frei sind!

 

Marie-Luise Abshagen 

Referentin Nachhaltige Entwicklung Forum Umwelt und Entwicklung

Schöne Neue Welt